Von Dumpfdreistigkeit mancher Staatsanwälte

Der Berliner Kollege, Rechtsanwlt Hoenig, berichtet gerade sehr anschaulich von der eigenwillig-dumpfen Verhaltensweise eines Staatsanwalts. Das scheint öfters vorzukommen, ich kenne das auch und kann noch was beisteuern:
Ich berichtete über einen Befangenheitsantrag wegen dem merkwürdigen Verhalten einer Richterin in einer Jugendstrafsache, die meinte, den Angeklagten mal kräftig auf die Finger hauen zu müssen, obwohl der Freispruch eigentlich auch für sie schon ersichtlich sein musste. Dennoch bot sie „großzügig“ Ermahnung und Einstellung gegen Geständnis statt satter Verurteilung an. Und der Staatsanwalt war der Initiator, weil er meinte, der Fall sei schon genügend durch die Medien gezerrt worden, die Angeklagten hätten an einer Neuauflage sicher auch kein Interesse.  Ach ja, so ganz nebenbei räumte er ein, die Anklage decke sich wohl nicht so ganz mit den Ermittlungen. Aber die habe er auch nicht verfasst und unterschrieben. Tatsächlich hatte er kein Interesse, seiner gesetzlichen Pflicht nachzukommen, und das unter dem unwirtschaftlichen Motto: Koste es, was es wolle. Die Medien fürchtete er wohl mehr als die Angeklagten, wenn die von einem Freispruch berichten würden. Irgendwie dumpf-dreist. Oder etwa nicht?

Belohnt Jugendstrafrichter Lüge der Angeklagten?

Vier Jugendliche wurden wegen Körperverletzung angeklagt. Sie sollen einem Kind (7) Wodka in solchen Mengen verabreicht haben, dass dieser mit 2 Promille ins Koma fiel. Die Untersuchung des Magensaftes des Kindes erbrachte aber keine Hinweise auf Wodka, sondern auf Weinbrand und Whisky. Die Angeklagten hatten aber nur Wodka bei sich. Vor der Hauptverhandlung erklärte die Vorsitzende nun den Verteidigern, dass der kindliche Zeuge (Geschädigter) nicht rechtzeitig geladen werden konnte. Der war – wie gerade erst bekannt geworden war –  schon 9 Monate zuvor und kurz nach der vermeintlichen Straftat vom Jugendamt gemeinsam mit seinen zwei Geschwistern in ein Kinderheim verfrachtet worden. Und zwar wegen Alkoholproblemen sowohl der Eltern als auch der Kinder. Und das Gutachten (Magensaft),  so die Vorsitzende, weise nun auch nicht auf die Einnahme einer größeren Menge Wodkas hin.  Dennoch sei sie der Meinung, dass den Angeklagten deutlich vor Augen geführt werden müsse, dass man Kindern keinen Alkohol verabreichen dürfe und bot an, das Verfahren mit einer Ermahnung einzustellen, wenn ein Geständnis abgelegt werden würde. Drei der vier Angeklagten legten kein Geständnis ab, sie erklärten lediglich, dass ihnen der Junge leid tue.  Das wertete die Vorsitzende als Geständnis, ermahnte und stellte ein.
Meine Mandantin äußerte sich auch: sie stellte einen Befangenheitsantrag, weil sich für sie die Voreingenommenheit der Richterin aus ihrer Bemerkung ergibt, den Angeklagten müsse vor Augen geführt werden, dass man Kindern keinen Alkohol gibt. Diese Bemerkung wiegt um so schwerer, weil aus den Gesamtumständen deutlich wird, dass das Kind  eben gerade keinen Wodka oder anderen Sprit von den Angeklagten bekommen hat. Auf den faulen Deal ließ sich meine Mandantin als einzige nicht ein. Gegen sie wird nächstes Jahr weiter verhandelt.
Dass die anderen drei Angeklagten umkippten, ist verständlich. Ihre Verteidiger hatten – nach meiner Einschätzung – keinen Bock auf das Verfahren. Denn ihre Beiordnungsanträge waren abgeschmettert worden. Und sie legten ihren Mandanten nahe, den Deal anzunehmen.
Dass eine Jugendrichterin bei einer solchen Ausgangslage einen solchen Deal anbietet, empfinde ich als empörend. Jugendliche werden genötigt,  Erklärungen abzugeben, die sie ohne äußeren Druck nicht abgegeben hätten. Das eigentlich pädagogische Jugendstrafrecht verbiegt bei einer solchen mißbräuchlichen Anwendung den Charakter junger Menschen: sie lernen, dass sie für die Lüge belohnt werden.

Fahrerlaubnisentzug bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort vermeiden

Verursacht ein Kraftfahrer einen Unfall und entfernt er sich anschließend unerlaubt vom Unfallort (§142 StGB), so droht ihm der Entzug der Fahrerlaubnis, wenn dem anderen Unfallbeteiligten ein „bedeutender Schaden“ entstanden ist (§ 69 (2) Ziffer 3 StGB). Die Berliner Strafgerichte gehen z.Zt. von einem  „bedeutenden Schaden“ ab 1.300 EUR  aus. Dieser Betrag wird häufig schon bei kleinen Kratzern oder Beulen an einem Fahrzeug überschritten, wenn der Geschädigte einen Kostenvoranschlag einer ortsansässigen Fachwerkstatt vorlegt, der den Austausch und die Neulackierung beinhaltet. Damit droht dem Unfallverursacher auch bei kleinen Schäden ein monatelanger Führerscheinentzug.
In den letzten Jahren hat sich jedoch eine  deutlich preiswertere Reparaturmöglichkeit, die „Smart Repair Methode“ am Markt behauptet. Bei der „Smart Repair Methode“ handelt es sich um ein lackschadenfreies Ausbeulen. Besteht der Unfallschaden an einem Fahrzeug welches älter als drei Jahre ist, so kann der Besitzer auf diese wesentlich preiswertere Reparaturmethode verwiesen werden. Das Landgericht Saabrücken hat jetzt  in einem Urteil vom 24.9.2010 (13 S 216/09) die „Smart Repair Methode“ als eine fachgerechte Reparaturalternative, die den herkömmlichen Reparaturmethoden gleichwertig ist, bezeichnet.
Mit dieser Entscheidung lässt sich zukünftig sicherlich in vielen Fällen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort der „bedeutende Sachschaden“ reduzieren, um so einen Fahrerlaubnisentzug abzuwenden.

Klauen mit dem richtigen Schlüssel ist besonders schwerer Diebstahl

Der „einfache“ Diebstahl wird gem. § 242 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bestraft. Ein besonders schwerer Diebstahl gem. § 243 StGB wird dagegen mit Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zehn Jahren geahndet.
Ein schwerer Fall liegt auch dann vor, wenn der Täter “ eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist“(§ 243 Abs. 1 Nr.2 StGB).
In einem erst jüngst entschiedenen Fall hatte sich die Täterin unbefugt des Schlüssels für einen Tresor bedient und daraus über 100.000 € mitgehen lassen.
In der Grundsatzentscheidung des BGH vom 05.08.2010 wurde nun klar gestellt, dass auch dann ein besonders schwerer Fall des Diebstahls vorliegt, wenn sich der Täter/die Täterin als Unberechtigter eines für den Tresor richtigen Schlüssels bedient.
Lehre aus der Geschichte:
Finger weg von fremden Schlüsseln!

Bundesverfassungsgericht stellt klar: Blitzerfotos sind zulässig.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat vor einiger Zeit entschieden, dass das verdachtsunabhängige Fertigen von Videoaufnahmen oder Lichtbildern bei der Verkehrsüberwachung durch die Polizei gegen das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung verstößt und damit die Aufnahmen einem Verwertungsverbot unterliegen (BVerfG Beschluß vom 11.8.2009 – 2 BvR 941/08 -).  Bei einer Verkehrsüberwachung bei der nur zum Nachweis des konkreten Verkehrsverstoßes eine Aufnahme durch die Polizei gefertigt wird, unterliegt die Aufnahme keinem Verwertungsverbot. Ein solches verdachtsabhängig gefertigtes „Frontfoto“ oder „Blitzer“-Foto – so stellte das BVerfG jetzt klar – ist verfassungsrechtlich zulässig und damit auch für die Strafverfolgungsbehörden verwertbar.
BVerfG vom 5.7.2010 – 2 BvR 759/10
Ergänzung am 10.11.2010 :
Er mehren sich allerdings die Stimmen, die meinen es fehle zur Zeit an einer gesetzlichen Grundlage für das „Blitzen“ bzw. Filmen des Straßenverkehres, auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Anwendung des § 100 h Abs.1 Satz 1 Nr. 1 StPO  i.V.m. § 46 Abs.2 OWiG bei der verdachtsabhängigen Fertigung von „Blitzerfotos“„verfassungsrechtlich nicht beanstandet“ hat.
Ein Richter am Amtsgericht Herford hat jedoch jetzt insgesamt 42 Verfahren auf einen Schlag eingestellt, weil auch er die Auffassung vertritt, dass es gegenwärtig keine Rechtsgrundlage für die Verkehrsüberwachung gibt.
„Eine der rechtlichen Grundlagen für die Verkehrsüberwachung – das heißt das Filmen und das Fotografieren der Autofahrer – basiere auf einem Paragrafen zur Bekämpfung des Terrorismus, der Spionage und der organisierten Kriminalität. „Autofahrer sind aber nun mal keine Schwerstkriminellen“, so der Richter.. Vorschriften aus der Terrorbekämpfung passen seiner Ansicht nach „nicht auf Verkehrssünder“.

VORSICHT: Wer betrunken Rad fährt, riskiert seinen Führerschein

RadfahrstreifenFährt ein Radfahrer mit 1,7 Promille und mehr, riskiert er seine Fahrerlaubnis. Bei Radfahrern geht man im Allgemeinem ab einem Blutalkoholwert (BAK) von 1.7 Promille von einer absoluten Fahruntauglichkeit aus, so dass der Tatbestand der Trunkenheitsfahrt gem. § 316 StGB erfüllt ist. Wird der Radfahrer deswegen rechtskräftig verurteilt, muss er mit Post von der Führerscheinstelle rechnen, die ihn auffordert, einen MPU (im Volksmund Idiotentest) zu machen. Wird das Gutachten nicht der Führerscheinstelle vorgelegt oder fällt es negativ aus, zieht die Führerscheinstelle den Führerschein auf dem Verwaltungsweg ein.
(VGH München vom 8.2.2010 – 11 C 09.2200 – ).

RA Oliver Marson